Diakonie zieht ernüchternde Bilanz der Flüchtlingspolitik

Diakonie zieht ernüchternde Bilanz der Flüchtlingspolitik

Quelle: Diakonie Deutschland

Zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni und zum bevorstehenden Ende der Wahlperiode zieht die Diakonie Deutschland eine ernüchternde Bilanz der Flüchtlingspolitik. Die vergangenen Jahre zeigten eine Politik der Abschottung statt der Integration.

Der so genannte "Schutz der EU-Außengrenzen" führt dazu, dass bereits Tausende Menschen im Mittelmeer ertrunken sind. Es finden wiederholt illegale und menschenrechtsverletzende Pushbacks statt. Schutzsuchende werden in Elendslager vor den Toren Europas als auch an Europas Peripherie - zum Beispiel auf den griechischen Inseln - gezwungen, ohne Aussicht auf einen uneingeschränkten und fairen Zugang zum Asylverfahren. Das ist das beschämende Fazit der Politik der vergangenen Jahre.   

Umfrage: Nur 28 Prozent sind der Meinung, Deutschland solle mehr Flüchtlinge aufnehmen

Die Negativ-Bilanz in der Flüchtlingspolitik spiegelt sich in einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für die Diakonie Deutschland wider. Danach sieht die Hälfte der Befragten (58 Prozent) die in den vergangenen Jahren zu uns geflüchteten Menschen als nicht gut in der Gesellschaft angekommen. Nur 28 Prozent der Befragten sind der Meinung, Deutschland solle mehr Flüchtlinge aufnehmen.

"Denn ganz offensichtlich werden die Aufnahme von Flüchtlingen und ihre Integration von einer Mehrheit der Deutschen nicht als Erfolgsgeschichte wahrgenommen und beschrieben. Nicht jede und jeder, der Migration kritisch sieht, ist dabei rechtsextrem. Aber ohne diesen Resonanzboden hätten es die furchtbaren rechten Vereinfacher mit ihrer 'Wir-oder-ihr'-Logik viel schwerer, daraus politischen Profit zu schlagen", sagt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Wo komme ich in dieser Gesellschaft mit meinen Bedürfnissen eigentlich noch vor?
fragten sich viele. "Wer sich sozial bedroht fühlt, keine Perspektive für sich und seine Kinder sieht, am oder unter dem Existenzminimum lebt, macht innerlich schneller dicht - auch gegenüber Geflüchteten. Ganz besonders, wenn er oder sie im selben Quartier mit Geflüchteten zum Beispiel um die knappe Ressource Wohnraum konkurriert oder den Staat nicht als Unterstützung, sondern als Hartz IV-Sanktionierer erlebt", so Lilie weiter.
 
Die Zustimmung zu der Frage, ob die Geflüchteten, die in den vergangenen zehn Jahren nach Deutschland gekommen sind, gut angekommen sind, fällt in den östlichen Bundesländern deutlich geringer aus als im Westen und ist in den Stadtstaaten deutlich höher als in Flächenländern. Vor allem Studierende stimmen weit überdurchschnittlich (28,4 Prozent) der Frage zu, dass die aufgenommenen Menschen hier gut angekommen seien. Bei der Gruppe der Nicht-Erwerbstätigen und Arbeitslosen sind es 19 Prozent. Weitaus geringer fällt die Zustimmung bei der Gruppe der Arbeitnehmer (10,3 Prozent) und Selbstständigen (10,6 Prozent) aus. Schlusslicht sind die Rentnerinnen und Rentner (8,5 Prozent).  

"Gelungene Integration hörbar und erlebbar machen"

Der Diakonie-Präsident appelliert an die Politik, Integration, Bildungs- und Sozialpolitik zusammen zu denken. Für die Integration müsse aktiv dafür Sorge getragen werden, die Lebensbedingungen der Menschen so zu gestalten, dass sie im Quartier Zugang zu Integration bekommen: Hinschauen und zuhören, verbinden statt spalten, Integrations- und Sozialpolitik zusammen denken. Das alleine reicht aber noch nicht aus für einen Stimmungswechsel.

"Wir müssen auch die erfolgreichen Integrationsgeschichten hörbar und Deutschland als das Einwanderungsland, das es faktisch ist, positiv erlebbar machen. Es braucht diese guten Geschichten, um die Entweder-oder-Narrative leiser werden zu lassen. Zum Beispiel die Geschichte des Refugio in Kreuzberg – ein Wohnprojekt für Einheimische und Geflüchtete der Stadtmission. Oder das Projekt 'Work First' für und mit geflüchteten Frauen, das vom Arbeitslosenfonds der rheinischen Kirche, der dortigen Diakonie und vom Jobcenter Köln gefördert wird. Es gibt unzählige solcher Beispiele und unerzählte Geschichten – von interkulturellen Kindergärten oder Seniorenwohnprojekten, Sportvereinen oder Betrieben", so Lilie.

"Wir müssen den 'Entweder-oder-Reflex' überwinden“

Es gibt Integrationserfolge, darüber wird aber zu wenig geredet. So ist die Integration anerkannter Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt relativ erfolgreich: Laut einem aktuellen Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sind über 50 Prozent erwerbstätig, wenn auch wesentlich im Niedriglohnbereich. Hier hat sich positiv ausgewirkt, dass der Zugang zu Integrationsangeboten erstmals schon während des Asylverfahrens möglich gemacht wurde. Mit einer stärkeren Integrationsoffensive wäre hier noch viel mehr möglich.

"Wir müssen den 'Entweder-oder-Reflex' überwinden, mit dem Einheimische und Flüchtlinge von Populisten gegeneinander in Stellung gebracht werden. Das führt komplett in eine Sackgasse. Was wir stattdessen brauchen, ist eine Politik des 'Sowohl-als-auch': Sozialpolitik und Integrationspolitik gehören untrennbar zusammen! Wir müssen das Recht auf Asyl ernst nehmen und die Quoten erhöhen, und wir müssen gleichzeitig die Menschen hier im Land mitnehmen und erreichen", so Diakonie-Präsident Lilie.

Zum Abschluss sechs Forderungen an die Flüchtlingspolitik der kommenden
Bundesregierung:

1. Integrationspolitik, Bildungs- und Sozialpolitik zusammen denken.
2. Den Familiennachzug erleichtern und dadurch die Integration erleichtern.
3. Die AnkER-Zentren und alle Massenunterkünfte schließen, um Integration von Anfang an zu fördern.
4. Ein wirksames Bleiberecht für Geduldete schaffen und sie aus der Perspektivlosigkeit holen.
5. Die Aufnahme weiterer Flüchtlinge in verantwortungsvoller Zahl ermöglichen.
6. Abschiebungen in Krisengebiete, wie Afghanistan und andere Gefahrenregionen, aussetzen.

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Kathrin Klinkusch, Pressesprecherin
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