Maßnahmenkatalog: Meilenstein mit Abstrichen

Maßnahmenkatalog: Meilenstein mit Abstrichen

Quelle: Amadeu Antonio Stiftung / Zentralrat der Juden in Deutschland

Auf seiner jüngsten Sitzung hat der Kabinettausschuss der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus und Rassismus einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vorgestellt und der Bundesregierung zum Beschluss vorgelegt. Die Amadeu Antonio Stiftung und der Zentralrat der Juden in Deutschland begrüßen den Katalog, melden bei einigen Maßnahmen und Themen aber Nachbesserungsbedarf an.

Der Ausschuss hat einen kleinteiligen Katalog mit insgesamt 89 Maßnahmen vorgelegt, der diese nach den beteiligten Ministerien gliedert.

"Der größte Teil der Maßnahmen ist ausdrücklich zu begrüßen und geht wichtige Herausforderungen an. Damit werden substanzielle Verbesserungen in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Rassismus erreicht. Viele der Maßnahmen sind aber vage formuliert und brauchen noch Präzisierung. Die Maßnahmen kommen zum Ende der Legislaturperiode und bleiben damit auch ein Hausaufgabenpaket für die nächste Bundesregierung", erklärt Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung. Das Maßnahmenpaket greift zentrale Forderungen auf, die dem Kabinettsausschuss bei den Anhörungen von Zivilgesellschaft und Wissenschaft im September vorgetragen wurden.

Positive Beispiele, aber auch unzureichende Vereinbarungen

Reinfrank verweist auf die angekündigte Unterstützung von Gerichten und Staatsanwaltschaften bei der Strafzumessung von Hasskriminalität, die Strafbarkeit von sogenannten "Feindeslisten", die explizite Benennung von Antifeminismus als Handlungsfeld sowie die Diversitätsstrategie des Bundes und Überlegungen zu einer rassismussensiblen Sprache als positive Beispiele.

Unzureichend sind konkrete Vereinbarungen, um die Strafverfolgung zu intensivieren und rechte Straftaten in Deutschland erheblich zu senken: "Die Strafverfolgung im Bereich der Hasskriminalität ist seit Jahren unbefriedigend, es fehlt auch noch immer ein Überblick über rechtsextreme Gefährder. Wir sehen, insbesondere im Netz, offene Straftaten wie Mordaufrufe und nichts passiert. Das wären Punkte, die im Bereich der inneren Sicherheit eine deutlich höhere Priorität hätten." Auch die Maßnahmen zum Umgang mit Rechtsextremismus in der Bundeswehr bezeichnet Reinfrank als nicht weitreichend genug.

Rechtlicher Rahmen für Demokratieförderung kommt

Im Katalog finden sich kaum Maßnahmen zum ländlichem Raum und in strukturschwachen Regionen. Noch immer liegt auch ein starker Fokus der Präventionsarbeit auf der Arbeit mit Jugendlichen. "Es braucht explizit auch die Arbeit mit Erwachsenen und älteren Menschen, denn das sind im Wesentlichen die Menschen, die sich derzeit im Rahmen der Corona-Proteste radikalisieren", erklärt Reinfrank.

"Hoffnung macht, dass sich Innenministerium und Familienministerium auf einen gesetzlichen und haushälterischen Rahmen für die Förderung des zivilgesellschaftlichen Engagements verständigen wollen. Wichtig ist nicht nur die Verstetigung finanzieller Art, sondern ein gesetzlicher Rahmen, der Projekte und Träger dauerhaft absichert und würdigt", führt Reinfrank aus und erinnert an die Forderung nach einem Demokratiefördergesetz, das bereits in den letzten beiden Koalitionsvereinbarungen festgeschrieben wurde.

Schuster: "Entscheidend ist jetzt die Umsetzung der angekündigten Maßnahmen."

"Die Bundesregierung macht mit diesen Vorschlägen deutlich, dass es ihr mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus ernst ist", erklärt Dr. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland. "Entscheidend ist jetzt die Umsetzung der angekündigten Maßnahmen. Die Vorschläge dürfen mit dem Ende der Legislaturperiode im nächsten Jahr nicht in der Schublade verschwinden, sondern müssen auf jeden Fall fortgeführt werden."

Aus Sicht des Zentralrats der Juden ist neben der stärkeren Förderung von Gedenkstättenfahrten und dem Jugendaustausch mit Israel vor allem die geplante Verankerung von Fortbildung zum Thema Antisemitismus für den öffentlichen Dienst, Polizei und Justiz ein entscheidender Schritt. Ebenso sollte dies in der Aus- und Fortbildung von Lehrern fester Bestandteil werden. Auch in Schulbüchern gibt es häufig noch Defizite bei der Darstellung des Judentums und beim Thema Antisemitismus.

Stärkerer Fokus auf Bekämpfung von Antiziganismus wäre notwendig

Um der immer wieder auftretenden Diskriminierung von Israelis einen Riegel vorzuschieben, sollte zudem das Merkmal der Staatsangehörigkeit in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aufgenommen werden. Darüber hinaus begrüßt der Zentralrat der Juden die Absicht, in der juristischen Ausbildung die Auseinandersetzung mit dem NS-Unrecht zu verstärken und konsequent gegen Hass-Rede im Internet vorzugehen.

Ein klarer Fokus des Maßnahmenkatalogs liegt zu Recht auf der Zivilgesellschaft, die bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus eine entscheidende Rolle spielt. Die Einbeziehung von Betroffenen, eine bessere Unterstützung für Opfer sowie die höhere finanzielle Förderung zivilgesellschaftlicher Initiativen sind der richtige Weg. "Für die Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus engagieren, ist Verlässlichkeit Voraussetzung für eine nachhaltige Arbeit. Ein Demokratiefördergesetz würde diese Verlässlichkeit schaffen", sagt Dr. Schuster.

Der Zentralrat der Juden hält auch einen noch stärkeren Fokus auf die Bekämpfung von Antiziganismus für erforderlich. Ebenso sind massive Maßnahmen notwendig, um Rechtsextremismus in der Bundeswehr zurückzudrängen. Der Zentralrat der Juden hatte seine Expertise in die Arbeit des Kabinettausschusses eingebracht.

Infos
Kontakt

Amadeu Antonio Stiftung:
Robert Lüdecke
Tel: 030 240 886 16
Mail: robert.luedecke(at)amadeu-antonio-stiftung.de

Zentralrat der Juden:
Tel: 030/ 28 44 56 0
Mail: presse(at)zentralratderjuden.de